Ein breites Bündnis aus Deutschem Studierendenwerk, Gewerkschaften, kirchlichen Organisationen, freien Studierendenvertretungen und Verbänden fordert massive Nachbesserungen bei der 29. BAföG-Novelle, an vorderster Stelle eine Erhöhung der Bedarfssätze und der Wohnkostenpauschale.
Matthias Anbuhl, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks kritisiert den vorliegenden Entwurf der Gesetzesnovelle:
„Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgelegten 29. BAföG-Novelle fehlt die Kraft, und es sind noch wesentliche Nachbesserungen nötig. Es gibt keinen Grund, warum das BMBF von den 150 Millionen Euro, die ihm der Bundestags-Haushaltsausschuss trotz schwieriger Kassenlage des Bundes für eine BAföG-Erhöhung zur Verfügung stellt, nur 62 Millionen Euro verwenden will. Das Ministerium will insbesondere die Sätze nicht erhöhen, weder den BAföG-Grundbedarf noch die Wohnkostenpauschale. Diesen Webfehler der BAföG-Novelle können auch leichte Verbesserungen bei der Förderhöchstdauer, dem Studienfachwechsel nicht aufwiegen.
Trotz stark gestiegener Preise für Lebensmittel und Mieten würden, sollten im parlamentarischen Verfahren die Bundestagsabgeordneten nicht noch beherzt eingreifen, die Studierenden beim BAföG mit einer Nullrunde bei den Bedarfssätzen abgespeist werden. Das wären dann vier Jahre Stillstand, gerechnet von der jüngsten Erhöhung im Winter 2022/2023 bis zu einer nächsten möglichen Erhöhung im Jahr 2026, nach der Bundestagswahl 2025. Während nämlich andere staatliche Leistungen wie das Bürgergeld, die Renten und die Abgeordnetendiäten automatisch an die Einkommensentwicklungangepasst und erhöhte werden, bleibt das ausgerechnet beim BAföG als zentralem Instrument der Bildungsgerechtigkeit aus. Um es klar zu sagen: Ich gönne allen Menschen diese regelmäßigen Erhöhungen – aber warum gibt es sie nicht auch für Studierende?
Zudem schlägt das Bildungsministerium eine bürokratische Studienstarthilfe vor. So wie das Instrument derzeit gestrickt ist, wird die Hilfe die bedürftigen Erstsemester nicht rechtzeitig erreichen. Hier brauchen wir eine Generalüberholung des Vorschlags.“
Die Forderungen im Einzelnen lauten:
- BAföG muss die Kosten für Lebenshaltung und Ausbildung decken: Die Bedarfssätze für den Lebensunterhalt müssen mindestens auf das Niveau des Bürgergelds erhöht werden, um das Existenzminimum der Studierenden und Schüler*innen abzusichern. Der BAföG- Grundbedarf muss darüber hinaus auch die Ausbildungskosten decken.
- Wohnkosten müssen angemessen berücksichtigt werden: Die Wohnkostenpauschale muss mindestens im Einklang mit der Düsseldorfer Tabelle auf derzeit 410 Euro im Monat erhöht werden. Auch die Wohnkostenpauschale für Geförderte, die bei den Eltern wohnen, muss deutlich erhöht werden.
- Bedarfssätze und Freibeträge automatisch anpassen: Die Bedarfssätze und Freibeträge im BAföG müssen unbedingt jährlich und automatisch entsprechend der durchschnittlichen Lohnentwicklung Vollzeitbeschäftigter angepasst werden, denn Studierende brauchen Finanzierungssicherheit. Die Freibeträge vom eigenen Einkommen der Schüler*innen und Studierenden aus Minijobs sind automatisiert an die Minijob-Obergrenze zu koppeln. Die Kranken- und Pflegeversicherungszuschläge sind automatisiert an die Höhe der Beiträge von Studierenden anzupassen.
- BAföG-Darlehensanteil reduzieren: Verschuldungsängste schrecken vor allem diejenigen ab, die am meisten von einer Förderung profitieren würden. Der Darlehensanteil muss – wie im Koalitionsvertrag angekündigt - reduziert werden und nicht wie aktuell geplant durch die Erhöhung der Rückzahlungssumme sogar noch ausgeweitet werden. Das lehnen wir ab.
- Hohe Kosten zum Studienstart abfedern: Die geplante Einführung einer Studienstarthilfe ist ein wichtiger Schritt, den wir begrüßen. Sie sollte jedoch allen Studierenden aus Elternhäusern mit in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Sozialleistungsbezug sowie allen BAföG-Berechtigten zugänglich sein.
- Förderung und Studienrealität in Einklang bringen: Die Idee eines zusätzlichen Flexibilitätssemesters weist in die richtige Richtung. Allerdings sollte die Förderungshöchstdauer - wie vom Wissenschaftsrat empfohlen - um zwei Semester erhöht werden. Nur ein Fünftel der Studierenden hat im Jahr 2021 ihr Bachelor- oder Masterstudium innerhalb der Regelstudienzeit abgeschlossen.
- BAföG-Leistungsnachweis nach vier Semestern abschaffen: Dass ein Fachrichtungswechsel nun auch noch nach dem fünften Semester möglich sein soll, ist zu begrüßen, kollidiert aber mit dem längst überkommenen Nachweissystem.
- BAföG vom Antrag bis zur Bewilligung zügig digitalisieren: Nicht nur der BAföG-Antrag, sondern sämtliche BAföG-Prozessschritte müssen, nach einer Verwaltungsvereinfachung, digitalisiert werden, einschließlich e-Bescheid und e-Akte. Die BAföG-Ämter müssen in die Lage versetzt werden, über ein Online-Portal sicher und direkt mit den Studierenden kommunizieren zu können. All dies fordert auch der Bundesrechnungshof.
Der Aufruf für ein bedarfsgerechtes BAföG „Perspektiven eröffnen – in die Zukunft investieren“ wird von neun Organisationen unterstützt – neben der GEW sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und ver.di, das Deutsche Studierendenwerk, der studentische Dachverband fzs, die evangelischen und katholischen Hochschulgemeinden sowie die Initiative ArbeiterKind.de mit dabei.