Kindergeld: Bezugsverlängerung bei Behinderung möglich
Studierende mit Behinderung können ausnahmsweise auch über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld beanspruchen.
Die Regel: Ansprüche bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs
Ziel des Kindergeldes ist es, die Grundversorgung der Kinder monatlich zu sichern und ihr Existenzminimum freizustellen. Das Kindergeld wird somit nicht auf das Existenzminimum angerechnet. Das Kindergeld ist keine Sozialleistung, sondern eine steuerliche Ausgleichszahlung. Geregelt ist der Anspruch auf Kindergeld deshalb im Einkommensteuergesetz (EStG).
Erstausbildung
Für Kinder, die sich „in Ausbildung“ befinden und noch kein Studium und keine Berufsausbildung abgeschlossen haben, bleiben Ansprüche auf Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten. Kindergeld gibt es in diesen Fällen auch dann, wenn Kinder auf einen Ausbildungsplatz warten oder Lücken zwischen zwei Ausbildungsabschnitten überbrücken müssen, sofern die „Zwangspause“ nicht länger als vier Monate dauert. Auch ein Masterstudiengang gilt als Erstausbildung, sofern er zeitlich und inhaltlich eng auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist. In ähnlicher Weise werden postgraduale Zusatz-, Ergänzungs- und Aufbaustudiengänge oder die Vorbereitung auf eine Promtion gewertet, wenn die Ausbildungen zeitlich und inhaltlich an die vorangegangenen Studiengänge anschließen. Seit 2012 dürfen volljährige Kinder in Erstausbildung unbegrenzt jobben und Geld verdienen, ohne ihren Kindergeldanspruch zu gefährden. Die Einkommens- und Bezugsgrenzen sind abgeschafft.
Weitere Berufsausbildung
Volljährige Kinder bis 25 Jahre, die sich in Ausbildung befinden, aber bereits eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben und deren Ausbildungen nicht mehr zur Esrstausbildung zählt, bekommen Kindergeld dagegen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen. Sie dürfen keiner „schädlichen“ Erwerbstätigkeit nachgehen. Erlaubt sind geringfügige Beschäftigungen (Mini-Jobs) und Arbeitsverhältnisse mit maximal 20 Wochenstunden. Auszubildende in einem Ausbildungsdienstverhältnis, also beispielsweise Jurist*innen im Referendariat, bleiben weiter anspruchsberechtigt.
Beurlaubung wegen Krankheit
Kindergeld wird bei krankheitsbedingter Unterbrechung weiterbezahlt, solange die rechtliche Bindung zur Hochschule fortbesteht, also z.B. bei Beurlaubung vom Studium. Die Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung sind durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen; die Bescheinigung ist jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern.
Praktikum und Auslandsstudium
In der Regel wird Kindergeld während Praktika und Auslandsstudienaufenthalten weiter gezahlt.
> Detaillierte Informationen: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz
Die Ausnahme: Ansprüche über das 25. Lebensjahr hinaus
Für Studierende mit Behinderungen kann sich der Anspruch auf Kindergeld in Ausnahmefällen gemäß § 2 Abs. 2 Bundeskindergeldgesetz noch über den 25. Geburtstag hinaus verlängern.
„Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es (...) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs eingetreten ist.“
Die Behinderung selbst muss vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. (Das Finanzgericht Köln gab allerdings einem Kläger recht, der auf Fortzahlung des Kindergelds für seine Tochter klagte, deren angeborener Gendefekt erst nach dem 25. Geburtstag diagnostiziert wurde. Az. 6 K 889/15)
Entscheidend für den Kindergeldanspruch über das vollendete 25. Lebensjahr hinaus ist der Zusammenhang zwischen Behinderung und Unfähigkeit zum Selbstunterhalt. Der Nachweis dafür, dass Studierende mit Behinderung außerstande sind für den eigenen Unterhalt zu sorgen, wird anhand einer Vergleichsrechnung geprüft, bei der die Kosten zur Deckung des existenziellen Lebensbedarfs inkl. behinderungsbedingter Mehrbedarfe der Summe der tatsächlichen Einkünfte inkl. Sozialleistungen gegenüber gestellt werden. Reichen die Einkünfte nicht aus, besteht Anspruch auf Kindergeld. Der existenzielle Lebensbedarf setzt sich zusammen aus dem Grundfreibetrag und den individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarfen.
In der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG 2022) heißt es unter A 19.1: „Dem Kind muss es objektiv unmöglich sein, seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf durch eigene Mittel zu decken.“ Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nicht, wenn das Kind trotz der Behinderung den Lebensunterhalt bestreiten kann, beispielsweise aufgrund eines hohen verfügbaren Einkommens. Auf jeden Fall kommt es auf den Einzelfall an.
Wichtig: Allein die Feststellung eines sehr hohen Grades der Behinderung allein rechtfertigt nicht die Annahme der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt.
Wichtig: Das Vermögen des Studierenden mit Behinderung gehört nicht zu den finanziellen Mitteln, die für den Selbstunterhalt einzusetzen sind. Es geht ausschließlich um Einkünfte und Bezüge.
> Wichtige Rechtsentscheidung des Bundesfinanzhofs zum Thema: Beschluss vom 27.10.2021 - Az. III R 19/19
> Detaillierte Informationen: Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz