Mehrbedarfe zum Lebensunterhalt nach § 27 SGB II

Für Studierende, die ihr Studium durch Eigenmittel, BAföG oder Stipendien finanzieren, sind die Ansprüche auf Mehrbedarfszuschläge abschließend in § 27 Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) geregelt. Anträge können bei den örtlichen Jobcentern gestellt werden.

Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten können ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) erhalten. Voraussetzungen: sie sind "erwerbsfähig", finanziell bedürftig und studieren einen Studiengang, der "dem Grunde nach BAföG-förderungsfähig" ist (§ 7 Abs. 5 SGB II). Es können geltend gemacht werden:

  • Unabweisbare besondere Bedarfe
  • Mehrbedarf kostenaufwändige Ernährung

Eine Bedarfsdeckung im Einzelfall gibt es nicht. Probleme entstehen für manche Studierende mit Behinderungen/chronischen Krankheiten durch das Fehlen einer Möglichkeit, ungedeckte Mehrbedarfe im Zusammenhang mit Unterkunftskosten zu decken.

„Unabweisbarer besonderer Bedarf“

(§ 27 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 6 SGB II)

Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten können Zusatzaufwendungen zum Lebensunterhalt beantragen, wenn es sich dabei um einen unabweisbaren besonderen Bedarf handelt (§ 21 Abs. 6 SGB II).

Es wird zwischen laufenden und einmaligen Bedarfen unterschieden. Anerkannte laufende Bedarfe werden auf Zuschussbasis finanziert. Bei einmaligen Bedarfen, dazu könnten z.B. Kleidung und Schuhe in Sondergrößen gehören, wird zusätzlich geprüft, ob ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II zumutbar bzw. möglich ist. Das wird in vielen Fällen zu verneinen sein, da der BAföG-Satz schon jetzt i.d.R. nicht den üblichen Unterhaltsbedarf decken kann.

Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter (z.B. bei orthopädischen Schuhen die gesetzliche Krankenversicherung) sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist. Der Bedarf muss in seiner Höhe stark vom „Üblichen“ abweichen. Dabei kann es sich einerseits um atypische Bedarfe handeln, die nicht zum üblichen Lebensunterhalt gehören; andererseits um Bedarfe, die zwar zum Lebensunterhalt zählen, aber im Einzelfall überdurchschnittlich sind.

Es werden nur Kosten für „nicht-ausbildungsbedingte“ Mehrbedarfe übernommen, beispielsweise für:

  • dauerhaft benötigte Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen (beispielsweise bei HIV oder Neurodermitis)
  • medizinisch notwendige, nicht verschreibungspflichtige Arznei- und Heilmittel, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden
  • Putz- oder Haushaltshilfen für Menschen, die behinderungsbedingt bestimmte Tätigkeiten im Haushalt nicht ohne fremde Hilfe erledigen können und die nicht durch die Pflegeversicherung abgedeckt sind (z.B. weil kein entsprechender Pflegegrad festgestellt wurde)
  • regelmäßige Fahrtkosten im Zusammenhang mit notwendigen medizinischen Therapien

Das sind lediglich Beispiele. Es kommt entscheidend auf die Besonderheit des Einzelfalles an.

Tipp: Hinweise zur Durchführung des SGB II der Bundesagentur für Arbeit zu den § 27 und § 21 > Link s.u.
Zum Seitenanfang

Mehrbedarf „kostenaufwändige Ernährung“

(§ 27 Abs. 2 in Verbindung mit § 21 Abs. 5 SGB II)

Die Leistungsträger orientieren sich in der Regel bei der Prüfung von Ansprüchen an den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung. Danach begründen die meisten Erkrankungen und Beeinträchtigungen keinen krankheitsbedingten Mehrbedarf. In diesen Fällen wird Vollkosternährung empfohlen, die nicht zu einem Mehrbedarf führt. Das betrifft z.B. Menschen mit Neurodermitis, Laktoseintoleranz, Histaminunverträglichkeit, Nicht-Zöliakie-Gluten-/Weizen-Sensitivität oder Diabetes mellitus, Typ I und Typ II.

Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wird ohne weitere Prüfung nur für eine sehr kleine Gruppe von Erkrankungen anerkannt. Dazu gehören:

  • Mukoviszidose/zystische Fibrose
  • Terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie
  • Zöliakie
  • Schluckstörungen
  • krankeitsassoziierte Mangelernährung
    Diverse Krankheiten können - müssen aber nicht - zu Mangelernährungen führen. Dazu gehören z.B. Tumorerkrankungen, Morbus Crohn/Collitis Ulcerosa, Wundheilungsstörungen oder Leberzirrhose. Die Diagnostik einer Mangelernährung erfolgt anhand der sog. GLIM-Kriterien. Der Einzelfall ist entscheidend.

Erfordert eine aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung angezeigte Diät den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln oder diätischen Lebensmitteln (die i.d.R. nicht zu den Versorgungsleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören), sind die Aufwendungen hierfür in die Ermittlung des Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung einzubeziehen.

Die Bemessung der Mehrbedarfe erfolgt krankheits- bzw. bedarfsabhängig. Die tatsächliche Höhe des Mehrbedarfszuschusses für Studierende ist allerdings abhängig von den zur Verfügung stehenden Eigenmitteln der Antragsteller*innen und kann deshalb trotz gleicher krankheitsbedingter Bedarfe von Einzelfall zu Einzelfall variieren.

Wichtig: Die Empfehlungen des Deutschen Vereins sollen Orientierung geben. Im Einzelfall bestehen Ansprüche auf Mehrbedarfe in anderen als die in der Empfehlung genannten Krankheitssituationen. Individuelle Bedarfslagen müssen durch entsprechende fachärztliche Nachweise belegt werden.

Tipp: Hinweise zur Durchführung des SGB II der Bundesagentur für Arbeit (§ 27, RZ 27.5 und § 21, Nr. 5, RZ 21.23 ff.) und die Empfehlungen des Deutschen Vereins
Zum Seitenanfang

Finanzierungslücke: ungedeckter Mehrbedarf Wohnen für Studierende mit Behinderungen

Ungedeckte Mehraufwendungen für Unterkunft und Heizung können für Studierende mit Behinderungen zu einem großen Problem werden. Denn wer auf eine barrierefreie oder barrierearme Wohnung angewiesen ist, hat häufig vergleichsweise hohe laufende Kosten für Unterkunft und Heizung.

Kein Wohnmehrbedarf für Studierende nach § 27 SGB II

Probleme können sich insbesondere für Studierende mit Behinderungen ergeben, die nicht mehr bei ihren Eltern leben. Die durch das BAföG nicht gedeckten Zusatzkosten können im Rahmen von § 27 SGB II nicht als Mehrbedarf geltend gemacht werden. Studierende können hilfsweise versuchen, die ungedeckten Unterkunfts- und Heizkosten im Rahmen der Härtefallregelung nach § 27 Abs. 3 SGB II zu beantragen. Wird dem Antrag stattgegeben, erfolgt die Kostenübernahme allerdings nur auf Darlehensbasis. Offen bleibt zudem, wer ggf. die Zusatzaufwendungen für eine behinderungsgerechte Wohnungs(erst)ausstattung inklusive angepasster Haushaltsgeräte finanziert.

Alternativ können Eingliederungshilfeleistungen zur Sozialen Teilhabe zur Deckung der beeinträchtigungsbezogenen, das "Übliche" übersteigenden Wohn-Zusatzkosten beantragt werden. Zwingende Voraussetzung ist der Nachweis einer "wesentlichen Behinderung". (vgl. Rechtsentscheidung des Bundessozialgerichts vom 4.4.2019; Az.: B 8 SO 12/17 R)

Ausnahmsweise: aufstockendes Bürgergeld für Studierende, die mit ihren Eltern zusammenleben

Studierende, die bei ihren Eltern wohnen und BAföG erhalten (oder aber nur aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht erhalten), haben bei nachgewiesener Bedürftigkeit Anspruch auf reguläre aufstockende SGB II-Leistungen (§ 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II). Wird BAföG aus anderen Gründen abgelehnt, z.B. weil Altersgrenzen oder die Förderungsdauer überschritten sind, erlischt mit dem BAföG-Anspruch auch der Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen. BAföG und Kindergeld werden als Einkommen angerechnet.

Diese Regelung betrifft in der Regel Studierende, deren Eltern im Bürgergeld-Bezug sind. Ohne die Möglichkeit der Aufstockung könnte es bei der Aufnahme des Studiums zum Verlust der Wohnung kommen, weil der Wohnanteil im BAföG nicht ausreicht, den Miet-Anteil des (studentischen) Kindes der Bedarfsgemeinschaft zu decken. Kinder bis 25 Jahre und deren Eltern bilden eine Bedarfsgemeinschaft.

In diesem Fall stehen Studierende ggf. alle zusätzlichen Leistungen nach SGB II zu.

Zum Seitenanfang