Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) ist der Dachverband der 57 Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland. Zu unseren Satzungsaufgaben gehört die politische Vertretung der berechtigten Interessen unserer Mitglieder, die auf Grundlage von Landeshochschul- bzw. Landesstudierendenwerksgesetzen Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, insbesondere der sozialen Förderung von Studierenden, wahrnehmen.
Grundsätzliche Überlegungen zur Nachhaltigkeitsberichtspflicht im öffentlichen Sektor
Mit vorliegendem Referentenentwurf sollen die europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in nationales Recht umgesetzt werden. Wesentliches Ziel ist, den Anlegern an den Kapitalmärkten Informationen zu liefern. Dazu ist für die Vergleichbarkeit erforderlich, gleichwertige rechtliche Mindestanforderungen für den Umfang der Informationen, die von im Wettbewerb
stehenden Unternehmen zu veröffentlichen sind, festzulegen.
Insofern erfolgt eine Anpassung des § 289b Absatz 1 HGB an die Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 (ABl. L, 2023/2775, 21.12.2023), dass zur Erstattung eines Nachhaltigkeitsberichts für Kapitalgesellschaften, die groß im Sinne des § 267 Absatz 3 Satz 1 und Absätze 4 bis 5 oder kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d und keine Kleinstkapitalgesellschaft (§ 267a) sind, verpflichtet werden. Das Gesetz wird damit ausdrücklich an große Kapitalgesellschaften bzw. kapitalmarktorientierte Organisationen, also juristische Personen des Privatrechts, adressiert. Es ist darauf ausgerichtet, den Share- und Stakeholdern von großen Kapitalgesellschaften und kapitalmarktorientierten Unternehmen, also u.a. Anlegern, Kreditgebern, Lieferanten Informationen zur wirtschaftlichen Situation bzw. Solidität des Unternehmens zu geben.
Die europäische Richtlinie und der vorliegende Entwurf zur Umsetzung in nationales Recht zielen
daher ebenso wenig wie die EU-Bilanzrichtlinie (vgl. Anhang I und Anhang II der Richtlinie 2013/34/EU vom 26.06.2013) darauf ab, Einrichtungen in anderen Rechtsformen einzubeziehen. Insbesondere juristische Personen des öffentlichen Rechts werden vom CSRD und dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht erfasst und zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, weil die Vorgaben nicht zu den bestehenden Strukturen der öffentlichen Hand passen.
In den letzten Jahrzehnten sind jedoch in Bundesländern insbesondere aus Gründen der Transparenz entweder durch den Landesgesetzgeber oder durch freiwillige Selbstverpflichtungen (in der Grundordnung bzw. Satzung) Regelungen in Kraft, die für Einrichtungen des öffentlichen Sektors, wie z.B. öffentliche Körperschaften bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts, eine erweiterte Jahresabschlusserstellung analog zu großen Kapitalgesellschaften vorsehen. Damit werden juristische Personen des öffentlichen Rechts unabhängig von ihrer Rechtsform oder ihrer tatsächlichen Größe verpflichtet, wie große Kapitalgesellschaften zu bilanzieren und einen Lagebericht zu erstellen. Hierfür gab und gibt es gute Gründe, die aber eben nichts mit der Frage der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu tun hatten und haben. In der Folge würden aber durch diesen mittelbaren Bezug die EU-Neuerungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht auf alle, aber indirekt auf einen erheblichen Teil öffentlicher Einrichtungen in Deutschland Anwendung finden und zwar sofort mit Umsetzung der Richtlinie.
Durch die beschriebene Dynamik würde die CSRD-Berichtspflicht nun auch für Einrichtungen aus dem Hochschul- und Wissenschaftsbereich wie Hochschulen und Studierendenwerke greifen, die strukturell überhaupt nicht in die Systematik der Berichterstattung passen. Diese Einrichtungen sind mit den Anforderungen an die geplante Nachhaltigkeitsberichterstattung nach HGB in der Regel überfordert. Die verschiedenen Akteure im Hochschulwesen tragen gemeinsam zum Gelingen akademischer Ausbildung, zu Innovationen und der Lösung von Zukunftsaufgaben bei. Der Betrachtungsrahmen für die Zukunftsthemen Klimaschutz und Nachhaltigkeit kann daher für zuwendungsgeförderte juristische Personen aus dem Hochschulbereich nicht so gefasst sein wie für kapitalmarktorientierte Unternehmen.
Rechtslage für die Studenten- und Studierendenwerke aufgrund des Referentenentwurfs
Die Studenten- und Studierendenwerke sind mehrheitlich als Landesanstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Sie übernehmen Aufgaben der sozialen Förderung von Studierenden aufgrund von Landeshochschul- bzw. Landesstudierendenwerksgesetzen. Im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge sind sie als Ämter für Ausbildungsförderung in 15 Bundesländern behördlich tätig, darüber hinaus sind sie zuständig für die hochschulnahe Grundversorgung der Studierenden mit Essen, für die studentische Wohnraumversorgung, für die psychosoziale Beratung der Studierenden und die Betreuung ihrer Kinder in Kitas.
Die Studierendenwerke finanzieren sich entsprechend in erheblichem Umfang über öffentliche Zuwendungen und Beiträge der Studierenden. Sie sind nicht gewinnorientiert, geschweige denn kapitalmarktorientiert. Ein Teil der für die Studierendenwerke geltenden Landesgesetze (ca. 50%) sehen allerdings eine Bilanzierung wie für große Kapitalgesellschaften vor; zum Teil ist eine Bilanzierungspflicht wie für große Kapitalgesellschaften in Satzungen verortet. Damit wäre ein Teil unserer Mitglieder zur Anwendung des Gesetzes auf Unterlagen der Einzelrechnungslegung für ein nach dem 31. Dezember 2024 beginnendes Geschäftsjahr verpflichtet, ein Teil jedoch nicht.
Welches Studierendenwerk von der Berichtspflicht betroffen ist und welches nicht, ist dabei rein zufällig, je nachdem ob ein entsprechende Landesregelung oder eine satzungsrechtliche Selbstverpflichtung vorliegt oder nicht. Auch wenn es in einzelnen Ländern bereits entsprechende Änderungsschritte gibt: Eine Änderung von Landesgesetzen und Satzungen ist aufgrund der kurzen Umsetzungsfrist und der damit verbundenen verfahrenstechnischen Fragen umfassend nicht mehr oder nur schwer möglich. Somit wird es aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Landesgesetze und Satzungen zu uneinheitlichen Verhältnissen im Bundesgebiet kommen. Zur Wahrung der einheitlichen Verhältnisse wäre daher eine bundesrechtliche Regelung geboten.
Die Studierendenwerke verfügen nicht über die notwendige sachliche und personelle Ausstattung, um für das nächste Jahr wie große Kapitalgesellschaften zu den geforderten Nachhaltigkeitsaspekten zu berichten. Zusätzliche öffentliche Mittel werden unseres Wissens nicht zur Verfügung gestellt. Das bedeutet, dass es zu einer Überlastung unserer Mitglieder kommen würde und eine ordnungsgemäße Berichterstattung voraussichtlich nur kompensiert werden könnte, indem Mittel für die Erfüllung der Kernaufgaben eingespart und für die Berichterstattung eingesetzt werden. Auch die EU hat die Möglichkeit von Überlastungen gesehen und ggf. Straffungen von Pflichten für bestimmte Unternehmensgruppen angeregt (vgl. Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775, Erwägungsgrund 1).
Für die Studierendenwerke können wir im Übrigen darauf hinweisen, dass sie sich seit Jahren für nachhaltiges Wirtschaften einsetzen und beispielsweise im Bereich Gemeinschaftsverpflegung eine Vorreiterrolle einnehmen. Aktuell haben wir als Dachverband begonnen, Empfehlungen für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu entwickeln, die auf das spezifische Leistungsspektrum der Studierendenwerke abstellen und die geltenden Rahmenbedingungen der Studierendenwerke als Landesanstalten des öffentlichen Rechts berücksichtigen.
Notwendige Anpassungen des Referentenentwurfs
Wir fordern daher, die Studierendenwerke als juristische Personen des öffentlichen Rechts, die aufgrund von Landesgesetzen bzw. Satzungen nur mittelbar in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, grundsätzlich von der Verpflichtung einer Nachhaltigkeits-Berichterstattung im Umfang großer Kapitalgesellschaften auszunehmen.
Hilfreich wäre eine Klarstellung im Gesetz, dass die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß § 289 b HGB (neu) nur für die im 3. Buch, zweiter Abschnitt des Handelsgesetzbuches genannten Rechtsformen gelten und eine mittelbare Anwendung aufgrund landesrechtlicher oder sonstiger untergesetzlicher Regelungen ausgeschlossen ist.
Ersatzweise muss geprüft werden, ob bzw. inwieweit in Abstimmung mit den EU-Vorgaben eine ausreichende Übergangsfrist zur Anpassung landespezifischer Regelungen und nachfolgender Bestimmungen (in Satzungen/Grundordnungen) eingeräumt werden kann.
19. April 2024
Matthias Anbuhl
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Studierendenwerks e.V.