Stellungnahme des Deutschen Studentenwerks (DSW) zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Thüringer Studentenwerksgesetzes und anderer Gesetze (Drs.-Nr.: 6/1971) im Rahmen des Anhörungsverfahrens des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft des Thüringer Landtags
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) ist der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland und nimmt außerdem satzungsgemäß sozialpolitische Belange der Studieren-den der Hochschulen wahr. Vor diesem Hintergrund nehmen wir im Folgenden im Rahmen des Anhörungsverfahrens des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft des Thüringer Landtags zu dem oben genannten Gesetzentwurf anhand des übermittelten Fragenkatalogs Stellung.
Fragenblock 1: Allgemeine Fragestellungen
1. Welche allgemeinen Hinweise zum Gesetzgebungsverfahren möchten Sie geben?
Aufgabe der Studentenwerke bundesweit ist die soziale, wirtschaftliche, gesundheitliche und kulturelle Förderung der Studierenden. In ähnlicher Formulierung ist dies in § 3 Thüringer Studentenwerksgesetz (im Folgenden: ThürStudWG) festgelegt. Das DSW weist hier zu-nächst darauf hin, dass die geplante Gesetzesnovellierung sich inhaltlich vorrangig danach ausrichten sollte, wie diese Aufgaben am besten erfüllt werden können.
Aus der bundesweiten Wahrnehmung des Deutschen Studentenwerks erfordert eine mög-lichst effiziente Aufgabenwahrnehmung durch die Studentenwerke bestimmte Rahmenbe-dingungen: eine ausreichende, verlässliche Finanzierung und rechtliche Regelungen, welche genügend Autonomie für ein an den individuellen Gegebenheiten orientiertes Management lassen. Wichtig ist außerdem eine Gremienstruktur, welche durch den Verwaltungsrat die betreffenden Belange von Hochschulen und Studierenden abbildet, so dass dieser als pro-fessionelles rechtsetzendes und rechtsgestaltendes Organ handeln kann. Zu Recht sieht der Gesetzentwurf keine Änderung der vorhandenen Gremienstruktur vor.
Im Übrigen besteht ein wesentlicher Aspekt bei der Aufgabenerfüllung durch die Studenten-werke in der Unterstützung von besonderen Studierendengruppen bzw. Studierenden in einer besonderen Lebenssituation. Viele Studentenwerksgesetze bilden dies entsprechend ab – so etwa § 4 Abs. 1 S. 2 des entsprechenden Gesetzes in Mecklenburg-Vorpommern. Das DSW schlägt vor diesem Hintergrund vor, in § 3 Abs. 1 ThürStudWG vor dem jetzigen Satz 2 den folgenden Satz einzufügen: „Das Studentenwerk berücksichtigt die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern, von Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, von ausländischen Studierenden und Studierenden mit Migrationshintergrund.“
2. Wie wird die bisherige Entwicklung der Studentenwerke in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Thüringen eingeschätzt?
Bundesweit sind die Leistungen der Studentenwerke in den Bereichen Studienfinanzierung, Verpflegung, Wohnen und soziale Beratungs- und Betreuungsangebote unverzichtbar für den Studienerfolg. Dies gilt in besonderem Maß unter den aktuellen Bedingungen der Bologna-Reform und einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft.
Die Studentenwerke in den neuen Bundesländern haben in den vergangenen 25 Jahren einen beachtlichen Transformationsprozess erfolgreich bewältigt. Dies gilt auch für das Stu-dentenwerk Thüringen. Nun geht es darum, das Erreichte zu erhalten. Dies ist an vielen Orten auch mit erheblichen Kosten – etwa für die weitere Sanierung von Wohnheimen und Gastronomieeinrichtungen – verbunden.
3. Welche Stellung und vor allem welche Bedeutung wird dem Studentenwerk Thürin-gen im Rahmen der Hochschullandschaft in Thüringen beigemessen?
Die Studentenwerke sind Dienstleister für Studierende und Hochschulen. Mit ihren Angeboten bilden sie im Rahmen des gesetzlichen Auftrags die wirtschaftliche und soziale Bildungs- und Hochschulinfrastruktur und tragen damit erheblich zur Profilbildung der Hochschulen bei. Die Studentenwerke sind daher Partner der Hochschulen vor Ort. Eine Herausforderung für ein Landesstudentenwerk wie Thüringen besteht dabei darin, an den verschiedensten Hoch-schulstandorten präsent zu sein. Aus Sicht des DSW gelingt dies dem Studentenwerk Thü-ringen mit viel Engagement hervorragend.
In diesem Zusammenhang sollte § 3 Abs. 1 S. 1 ThürStudWG noch dahingehend ergänzt werden, dass dem Studentenwerk im „engen“ Zusammenwirken mit den Hochschulen die dort genannten Aufgaben obliegen. Dies bildet die Form der Zusammenarbeit realistisch ab und im Übrigen ist eine solche Gesetzesformulierung auch steuerrechtlich sinnvoll: Die Leis-tungen der gemeinnützigen Studentenwerke sind mehrheitlich von der Umsatzsteuer befreit oder umsatzsteuerbegünstigt. Etwa die Umsatzsteuerfreiheit von Verpflegungsleistungen ergibt sich derzeit sowohl aus der deutschen Regelung des § 4 Nr. 18 UStG als auch aus Regelungen des europäischen Rechts für bestimmte, dem Hochschulunterricht eng verbun-dene Dienstleistungen. Die Steuerbefreiung bezweckt eine wirtschaftliche Entlastung der Empfänger von Bildungsleistungen, also der Studierenden selbst bzw. derjenigen Personen und Institutionen, die tatsächlich mit den Kosten des Hochschulstudiums belastet sind – ins-besondere Eltern- oder Fördereinrichtungen. Sofern diese Befreiung nicht besteht, würden sich die Leistungen der Studentenwerke für die Studierenden verteuern bzw. der Zuschuss-bedarf des Studentenwerks und damit der Haushaltsaufwand des Landes würden zusätzlich steigen. Die o.g. Gesetzesformulierung wird verdeutlichen, dass die Erfüllung der Rege-lungsvoraussetzungen der betreffenden europäischen Vorschriften gegeben ist. Dies trägt zur Rechtssicherheit bei. Ähnliche Regelungen finden sich auch bereits in verschiedenen Studentenwerks- und Hochschulgesetzen anderer Länder.
4. Wie ist das Studentenwerk Thüringen in das Gesamtensemble der Thüringer Hoch-schullandschaft einzuordnen?
Siehe Antwort zu Frage 3.
Fragenblock 2: Finanzierung des Studentenwerks Thüringen
5. Wie wird die Finanzierungsgrundlage des Studentenwerks bewertet?
Studentenwerke benötigen eine angemessene finanzielle Ausstattung. Mit Sorge sieht das Deutsche Studentenwerk daher, dass die Zuschüsse der Länder in den vergangenen Jahr-zehnten kontinuierlich zurückgegangen sind. Das DSW fordert die Länder daher grundsätzlich auf, über Landeszuschüsse eine ausreichende Finanzierung der Studentenwerke sicher-zustellen und diese Finanzierung den jeweiligen Kostenentwicklungen anzupassen. Erforder-lich sind ebenfalls Landesmittel für den Bau und den Erhalt von preisgünstigem studenti-schem Wohnraum. Gesondert ist im Übrigen die Aufwandserstattung für den Vollzug des BAföG durch die Studentenwerke zu sehen. Es handelt sich hierbei um eine Bundesauf-tragsverwaltung, welche die Kostenerstattung durch das Land erfordert. Der eingeschlagene Weg über eine Fallkostenpauschale ist daher in Thüringen konsequent fortzuentwickeln.
Die Finanzierung des Studentenwerks Thüringen in den vergangenen Jahren nimmt das Deutsche Studentenwerk als positiven Aspekt wahr. Über die derzeitige Regelung der mehr-jährigen Festschreibung der Höhe der Finanzhilfe in § 6 Abs. 3 ThürStudWG kann grund-sätzlich Planungssicherheit erreicht werden. Perspektivisch geht es aus Sicht des DSW nun darum, die Höhe der Finanzhilfe angemessen dem erhöhten Bedarf anzupassen.
6. Wie beurteilen Sie allgemein die vorgeschlagene Neuregelung der jährlichen Fi-nanzhilfe im § 6 Abs. 3 des Thüringer Studentenwerksgesetzes, also die jährlichen Finanzzuweisungen über das Instrument von Ziel- und Leistungsvereinbarungen zu regeln?
Ziel- und Leistungsvereinbarungen können in der öffentlichen Verwaltung sicher ein hilfrei-ches Instrument der Ergebnissteuerung sein. Wenn jedoch die Finanzierung des Studenten-werks an eine Ziel- und Leistungsvereinbarung gekoppelt ist, besteht aus Sicht des DSW das Risiko, dass sich dies negativ auf die Aufgabenerfüllung auswirken kann: Das Verhandeln der Ziele und Leistungen ist aufwändig. Es kann sich ergeben, dass im Management wegen festgeschriebener Ziele nicht in erforderlichem Maß auf neue Entwicklungen reagiert werden kann. Und es besteht das Risiko, dass das Instrument von Ziel- und Leistungsvereinbarungen genutzt werden könnte, um mögliche Einschränkungen der Finanzhilfe mit der Vereinbarung von Angebotseinschränkungen zu erreichen. Damit hätte nicht mehr die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben Priorität. Zumal sich die Definition verlässlicher, die jeweilige Kostenentwicklung widerspiegelnder Kriterien als schwierig erweisen dürfte.
Vor diesem Hintergrund hält das DSW Ziel- und Leistungsvereinbarungen hier nicht für das optimale Instrument zur Regelung der Finanzzuweisungen. Das DSW schlägt daher vor, die für § 6 Abs. 3 ThürStudWG vorgesehene Änderung nicht vorzunehmen. Falls dies dennoch geschehen soll, sollte dort eine Mindestlaufzeit der Ziel- und Leistungsvereinbarungen fest-geschrieben werden, um dem Studentenwerk ausreichende Planungssicherheit zu geben.
7. Ist aus Ihrer Sicht der Wegfall des Festbetrags von jährlich fünf Millionen Euro Fi-nanzhilfe eher als Vor- oder Nachteil zu sehen angesichts der Zielstellung einer ange-messenen und auskömmlichen Finanzierung der Aufgaben?
Ob der Wegfall eines Festbetrags für die Erreichung des gesetzlichen Auftrags des Studen-tenwerks positiv oder negativ zu sehen ist, hängt von der Höhe des Festbetrags ab. Das Studentenwerk Thüringen meldet zurück, dass der derzeit im Gesetz festgeschriebene Fest-betrag insbesondere aufgrund der Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes so nicht mehr ausreichend ist. Bei einem entsprechend angemessen höheren Betrag kann die gesetzliche Festlegung dennoch sinnvoll sein.
8. Wie ist eine gesetzliche Regelung der staatlichen Finanzierung des Studentenwerks im Rahmen von jährlichen Festbeträgen zu bewerten?
Siehe Antworten auf die Fragen 5 und 7.
9. Welche Kriterien sollten nach Ihrer Auffassung bei der geplanten Ziel- und Leistungsvereinbarung herangezogen werden?
Studentenwerke als gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts sind – anders als Dienstleister der freien Wirtschaft – nicht gewinnorientiert, sondern bedarfswirtschaftlich ausgerichtet. So bieten Studentenwerke im Rahmen ihres gesetzlichen Versorgungsauftrags ihre Dienstleistungen beispielweise auch an kleinen Hochschulstandorten an, wo sich dies für keinen privaten Anbieter rechnen würde. Die Arbeit der Studentenwerke lediglich über quantitative Kennzahlen zu definieren, würde somit an dem gesetzlichen Auftrag vorbeigehen. Falls als Ziele in irgendeiner Form Kriterien herangezogen werden sollten, müssten dies daher deutlich umfassendere Aspekte sein – wie beispielweise: Serviceumfang und -qualität, Unterstützungsumfang für Studierende in besonderen Lebenslagen, Barrierefreiheit, Nach-haltigkeit und Ähnliches. Viele dieser Themen sind in konkreten Zielen sehr schwer zu fassen. Vor diesem Hintergrund hält das DSW dies im Zusammenhang mit der Finanzhilfe für nicht optimal.
10. Sehen Sie gegebenenfalls andere mögliche Maßnahmen außer einer Ziel- und Leis-tungsvereinbarung, um die Finanzierungssicherheit für das Thüringer Studentenwerk herzustellen?
Wichtig bei der Finanzierung sind die Aspekte der Angemessenheit der Zuschusshöhe und der Planungssicherheit. Beides kann über eine entsprechende längerfristige Festschreibung im Gesetz beziehungsweise über das Instrument eines Zuwendungsbescheids mit entspre-chender Laufzeit erreicht werden.
11. Wie werden die dem Studentenwerk bereits eingeräumten erweiterten Handlungs-spielräume, dessen Autonomie und dessen Flexibilität bei der Bewirtschaftung eingeschätzt?
Studentenwerke sind bundesweit Selbstverwaltungseinrichtungen. Hier ist ein gewisser Grad an Autonomie im Sinne des Staatsdistanzmerkmals wesensimmanent. Insgesamt stellen wir aus der Perspektive des Dachverbands fest, dass Studentenwerke dann am effektivsten und wirtschaftlichsten ihre Aufgaben erfüllen können, wenn rechtliche Rahmenbedingungen ge-schaffen werden, welche breiten Gestaltungsspielraum nach den Anforderungen vor Ort er-möglichen. Viele Regelungen des derzeit geltenden Studentenwerksgesetzes erscheinen hier aus Sicht des DSW sinnvoll. Um dies nicht zu konterkarieren, sollten mit der Novellierung nicht zusätzliche bürokratische Hürden aufgestellt werden. Vorgesehen ist durch eine Änderung des § 11 ThürStudWG, eine sinngemäße Anwendung des § 53 Haushaltsgrund-sätzegesetz festzulegen. Aus dieser Regelung würden sich umfangreiche zusätzliche Prüf- und Darstellungspflichten ergeben. Viele hiervon passen nicht zu der Situation eines Studen-tenwerks als Anstalt des öffentlichen Rechts. Vollkommen angemessen für eine ordnungs-gemäße Wirtschaftsführung sind vielmehr die bestehenden Regelungen mit Verweis auf ent-sprechende Vorschriften des HGB. Auf die beabsichtigte Änderung des § 11 Abs. 5 Thür-StudWG sollte daher verzichtet werden.
Fragenblock 3: Umbenennung des Studentenwerks Thüringen
12. Welche Position vertreten Sie allgemein zur Umbenennung des Thüringer Studen-tenwerks in Thüringer Studierendenwerk?
Generell sind die in der Gesetzesbegründung genannten Gründe für eine Notwendigkeit einer Umbenennung kritisch zu prüfen. Aus Sicht des Deutschen Studentenwerks sollte die Bezeichnung des jeweiligen Studentenwerks vor Ort nach den Gegebenheiten und individu-ellen Bedürfnissen entschieden werden. In den vergangenen Jahren wurde zwar rund ein Drittel der Mitglieder des DSW in Studierendenwerk umbenannt. Gleichwohl sieht das DSW nicht, dass dies geboten wäre. Dass weibliche Studierende die seit nahezu einhundert Jahren existierende Bezeichnung „Studentenwerk“ als diskriminierend wahrnehmen würden, ist bisher empirisch nicht belegt. Zudem ist eine Umbenennung mit erheblichen Kosten verbun-den.
13. In den vergangenen Jahren ist in einer Vielzahl von Bundesländern eine Umbe-nennung vollzogen worden, so dass inzwischen fast die Hälfte der vergleichbaren Ein-richtungen den Namen Studierendenwerk trägt. Ist es aus Ihrer Sicht vor diesem Hin-tergrund richtig, dass Thüringen dieser Entwicklungsrichtung folgt?
Siehe Antwort auf Frage 12.
14. Wie beurteilen Sie die im Gesetzentwurf vorgenommene Kostenschätzung bezüg-lich der geplanten Umbenennung des Studentenwerks Thüringen in „Studierenden-werk Thüringen“; mit welchen Kosten ist aus Ihrer Sicht zu rechnen?
Aus den in der Antwort zu Frage 12 genannten Gründen sind die mit einer Umbenennung verbundenen Kosten als nicht erforderlich zu betrachten und daher abzulehnen. Im Gesetz-entwurf werden diese Kosten auf 100.000 Euro beziffert. Aufgrund von Erfahrungswerten aus anderen Bundesländern erscheint dies eher gering kalkuliert. Das Studentenwerk Thüringen ist ein Flächenstudentenwerk mit einer Vielzahl von Einrichtungen. Allein das Ersetzen der Beschilderung wird immense Kosten verursachen. Hinzu kommt, dass bei anderen Einrich-tungen – insbesondere den Hochschulen – etwa über zu ändernde Hinweise weitere Kosten entstehen werden. Aus Sicht des DSW sollte dieses Geld besser dem Studentenwerk als erhöhte Finanzhilfe für die Förderung der Studierenden zur Verfügung gestellt werden.
Berlin, 23. Mai 2016
Achim Meyer auf der Heyde
Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks