Allgemeine Anmerkungen
Das DSW hatte Gelegenheit bei einem Austausch im BMBF am 8.8.2022 bestehende Handlungsbedarfe von internationalen Studierenden einzubringen. Wir begrüßen, dass in dem vorliegenden Gesetzentwurf an einzelnen Stellen bereits unsere Anregungen umgesetzt wurden. Im Folgenden beschreiben wir den aus unserer Sicht weiterhin bestehenden Anpassungsbedarf.
Dauer der Aufenthaltserlaubnis
In dem geplanten § 16b Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (im Folgenden: AufenthG-E) ist vorgesehen, die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 16b künftig in der Regel für zwei und nur ausnahmsweise, insbesondere bei einjährigen Studiengängen, für ein Jahr auszustellen. Die Regelerteilung für zwei Jahre ist sinnvoll, sollte sich aber nicht nur auf die erstmalige Erteilung beziehen, sondern generell als Regel vorgegeben werden. Abweichungen in Fällen, in denen ein weiterer Kontrollbedarf besteht, kann im Rahmen der Ausnahmen problemlos Rechnung getragen werden.
Wünschenswert erscheint eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass die Sicherung des Lebensunterhalts nicht für den gesamten Zeitraum gefordert werden darf, sondern maximal für ein Jahr. Schon in den Verwaltungsvorschriften 2009 heißt es (16.0.8.3): „Kann der Ausländer die Lebensunterhaltssicherung nur für die Dauer von weniger als einem Jahr nachweisen, hat dies keine Auswirkung auf den Verlängerungszeitraum der Aufenthaltserlaubnis. In diesen Fällen ist die Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage zu versehen, vor Ablauf des Zeitraumes, für den die Lebensunterhaltssicherung nachgewiesen wurde, die weitergehende Lebensunterhaltssicherung nachzuweisen.“
Erwerbstätigkeit während des Studiums
Nach der Begründung des Referentenentwurfs (S. 76) soll die Aufenthaltserlaubnis zum Studium (§ 16b AufenthG-E) „künftig in eindeutigerer Weise typische studienbegleitende Erwerbstätigkeiten ermöglichen. Die Änderung soll es Studierenden ermöglichen, eine Beschäftigung neben dem Studium analog zur sozialversicherungs-rechtlichen Bewertung zu Werkstudenten in einer oder mehreren Beschäftigungen bis zu 20 Stunden in der Woche auszuüben.“ Die erweiterte Nebentätigkeit auf 140 ganze oder 280 halbe Tage, alternativ bis zu 20 Wochenstunden in § 16b Abs. 3 AufenthG-E ist zu begrüßen, die derzeit vorgesehene Formulierung ist jedoch leider so umständlich, dass dadurch ein überflüssiger Beratungsbedarf ausgelöst würde. Sinnvoller ist es, das Werkstudierendenprivileg als Kriterium zu wählen und Tätigkeiten zu erlauben, die vom Umfang her als Nebentätigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V zu werten sind.
Die Regelungen zur Nebentätigkeit gelten nun auch in der studienvorbereitenden Phase. Diese Regelung ist sinnvoll. Zumindest in der Gesetzesbegründung sollte klargestellt werden, dass ein Erwerbseinkommen auch bei der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG zu berücksichtigen ist. Dazu verpflichtet auch die Rest-RL, Art. 7 Abs. 1 c): „ ob die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, stützt sich auf eine Einzelfallprüfung und berücksichtigt die Mittel, die u.a. aus einem gültigen Arbeitsvertrag oder einem verbindlichen Arbeitsplatzangebot stammen“. Es kommt immer häufiger vor, dass Personen mit einem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG beantragen, z.B. internationale Studierende aus der Ukraine. Für diese Personen sollte die Möglichkeit bestehen, durch eine Arbeitsstelle die Sicherung des Lebensunterhalts nachzuweisen.
Die Definition der studentischen Nebentätigkeit (Begründung des Referentenentwurfs, S. 78) bleibt ebenfalls weiterhin auf „Beschäftigung“ beschränkt. Es würde den tatsächlichen Gegebenheiten der Erwerbsmöglichkeiten für Studierende entsprechen, Honorartätigkeiten generell in die erlaubte Erwerbstätigkeit während des Studiums einzubeziehen, die selbständige Form der Erwerbstätigkeit wird auch von der Rest-RL Art. 24 Abs. 1 erfasst. Es gibt keinen vernünftigen Grund sie anders zu behandeln als eine Beschäftigung.
Die Neuregelung zur Beschäftigung im Rahmen der europäischen Mobilität gemäß § 16c AufenthG-E, enthält eine Anpassung an die erweiterte Beschäftigungserlaubnis für Studierende mit Aufenthaltserlaubnis nach § 16b AufenthG. Sie ist sachgerecht und könnte entsprechend dem obenstehenden Vorschlag zu § 16b Abs. 3 AufenthG-E vereinfacht werden.
Die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Sprachkurses gemäß § 16f AufenthG-E ermöglicht nun eine Nebentätigkeit von 20 Stunden/Woche. Das ist sinnvoll und kann als Vorbereitung für die Aufnahme eines Studiums genutzt werden.
Zweckwechsel
Im Rahmen eines Studienaufenthalts werden gemäß § 16b Abs. 4 AufenthG-E Zweckwechselverbote weitgehend gestrichen. Das erleichtert die Flexibilität. Erhalten bleiben die Verbote eines Wechsels in kurzfristige Tätigkeiten nach § 19c AufenthG, insbesondere Freiwilligendienste und Au-pair. Diese Zweckwechselverbote beizubehalten erscheint aus unserer Sicht nicht sinnvoll, weil auch der Wechsel in eine kurzfristige Beschäftigung hilfreich sein kann, um Studienunterbrechungen zu ermöglichen, gerade auch, um die sprachlichen Anforderungen für ein Studium zu erfüllen bzw. zu vertiefen.
Für die Aufenthaltserlaubnis zu Sprachkursen nach § 16f AufenthG-E fallen die Zweckwechselverbote weg.
Nach dem Studium
Mit § 18b AufenthG-E wird nach dem Studium jede qualifizierte Tätigkeit ermöglicht. Damit entfällt die Detailprüfung, ob die Anforderungen an die Beschäftigung sich mit Studieninhalten decken. Die Verantwortung, ob die Qualifikation für die qualifizierte Tätigkeit geeignet ist, liegt damit allein bei den Arbeitgeber*innen. Das ist sinnvoll und begünstigt einen schnellen Einstieg ins Berufsleben. Die Zustimmung der Arbeitsagentur entfällt.
Wir begrüßen, dass mit § 18 g AufenthG-E nach dem Studium der Zugang zur Blauen Karte EU und damit auch zu einer schnellen Niederlassungserlaubnis erleichtert wird. Für die Erteilung bedarf es keine Zustimmung der Arbeitsagentur mehr.
Nach dem Studium wird die Zweckrichtung der Aufenthaltserlaubnis nach § 20 AufenthG-E auf das Ziel „Erwerbstätigkeit“ erweitert und damit ausdrücklich auch zum Zweck der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erteilt. Darin liegt keine wesentliche praktische Veränderung, aber eine wichtige Klarstellung entsprechend der Vorgaben des Art. 25 Abs. 1 der Rest-RL.
Nach dem Referentenentwurf soll nun ausdrücklich ein Leistungsausschluss in einem ergänzten § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II für die Zeit der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Arbeitsuche, der Ausbildungs- oder Studienplatzsuche oder einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis nach § 20a AufenthG-E aufgenommen werden. Der Leistungsausschluss in der Zeit der Arbeitssuche mit Aufenthaltserlaubnis nach § 20 AufenthG-E wird bislang schon so praktiziert, so wird jedoch der Umgang mit Notsituationen (Unfall, Krankheit, Schwangerschaft) in dieser Phase des Aufenthalts erschwert. Es ist nicht zielführend, dass in Deutschland ausgebildete Akademiker*innen wegen einer vorübergehenden Notlage ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren.
Weitergehende Forderungen
Wir möchten die Gelegenheit nutzen, um darüber hinaus folgende Vorschläge zu unterbreiten und auf bestehende Herausforderungen für internationale Studierende hinzuweisen.
Wir empfehlen, die Aufenthaltserlaubnis zur Studienplatzsuche nach § 17 Abs. 2 AufenthG ebenfalls mit einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 20 Stunden/Woche zu versehen.
Aus § 19f Abs. 1 AufenthG sollten § 16b Abs. 1 und 5 als Ausschlussgründe vollständig gestrichen werden. Die aktuelle Regelung führt immer wieder zu Sorgen, z.B. bei ukrainischen Geflüchteten mit § 24, da sie Personen mit humanitären Aufenthalten vom Wechsel ins Studium ausschließt, und ist unionsrechtlich nicht erforderlich (Art. 20 Rest-Richtlinie).
Die Lebensunterhaltssicherung für die Aufenthaltserlaubnis nach § 20 AufenthG sollte als erfüllt angesehen werden, solange keine Leistungen nach SGB II/SGB XII bezogen werden. In der Phase nach dem Abschluss des Studiums muss der Lebensunterhalt zum Teil aus verschiedenen Ressourcen (mehrere Honorartätigkeiten, Unterstützungsleistungen von Dritten) zusammengetragen werden. Hier sollten alle Beteiligten von einem unnötigen bürokratischen Aufwand entlastet werden. Die Rest-RL verlangt keinen entsprechenden Nachweis.
Beim Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Studienkollegiat*innen und Promovend*innen bietet sich eine Angleichung an die Regelung für ukrainische Geflüchtete an: der Beitritt als freiwilliges Mitglied zur GKV kann innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise beantragt werden (§ 417 SGB V). Momentan können sich die genannten Gruppen nur bei (meist unzureichenden) privaten Krankenversicherungen versichern, der Wechsel von einer privaten in eine gesetzliche Krankenversicherung ist nicht möglich.
Beim Rundfunkbeitrag sollte der Bund auf den Beitragsservice zugunsten internationaler Studierender einwirken. Der Beitragsservice sollte sein Online-Formular für eine Befreiung der Gebühren so umgestalten, dass es internationale Studierende nicht – wie bisher – ausschließt. Hintergrund: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts können sich auch internationale Studierende von den Rundfunkgebühren befreien lassen, wenn sie nachweisen, nur über Mittel in Höhe des zu erbringenden Finanzierungsnachweises zu verfügen. Trotz mehrerer DSW-Schreiben hat der Beitragsservice es bisher versäumt, seine bestehenden Befreiungsformulare dem Gerichtsurteil anzupassen, so dass internationalen Studierenden diese Antragsmöglichkeit versagt bleibt.
Berlin, 7. März 2023
Matthias Anbuhl
Vorstandsvorsitzender des Deutschen Studierendenwerks
07.03.2023