Die heute gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMB), dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZWH) und dem Deutschen Studierendenwerk vorgestellte 22. Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden, erhoben im Sommer 2021, kommentiert Matthias Anbuhl, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks:
„Uns treiben als Deutsches Studierendenwerk drei Befunde um. Erstens: Wir sehen beider Studienfinanzierung eine soziale Polarisierung.
Gewiss, ein Viertel aller Studierenden hat mehr als 1.300 Euro im Monat zur Verfügung; dieses Viertel gilt sicher nicht als armutsgefährdet. Hier schlagen die Fern-Studierenden und die berufsbegleitend Studierenden zu Buche, die eben in aller Regel finanziell weit besser ausgestattet sind.
Am anderen Ende des Spektrums aber sehen wir: 37 % der Studierenden verfügen im Monat über weniger als 800 Euro – das sind nochmal 60 Euro weniger, als die Düsseldorfer Tabelle zum Erhebungszeitpunkt im Sommer 2021 für den Elternunterhalt für auswärts wohnende Studierende vorgab.
Diese Gruppe ist mit eben 37 % weiter größer als die Gruppe der Studierenden, die BAföG erhalten; das sind 13%.
Wir haben einerseits die 25% finanziell sehr gut Alimentierten – und andererseits ein Drittel der Studierenden, deren finanzielle Situation prekär zu nennen ist.
Wir appellieren an die Bundesregierung: Lassen Sie beim BAföG nicht nach. Erhöhen Sie die Bedarfssätze, erhöhen Sie unbedingt auch die Eltern-Freibeträge, damit endlich wieder mehr Studierende vom BAföG profitieren können. Mehr als ein Drittel der Studierenden hat das auch wegen der Inflation bitter nötig. Gehen Sie auch die strukturelle BAföG-Reform schnell und kraftvoll an.
Zweitens: Die Mietausgaben der Studierenden steigen weiter stark. Die Miete ist weiterhin der größten Ausgabenposten; 410 Euro geben die Studierenden im Schnitt im Monat für die Miete aus – und das ist ein Wert wie gesagt vor Inflation und Energiepreis-Krise!
Seitdem ist in deutschen Hochschulstädten bezahlbarer Wohnraum für Studierende noch mehr zur Mangelware geworden, und die Mieten sind mit Sicherheit noch weiter gestiegen; das belegen auch jüngste Marktforschungs-Studien. Zur Erinnerung: Beim BAföG sind fürs Wohnen derzeit 360 Euro im Monat vorgesehen. Das reicht in kaum einer Hochschulstadt für ein WG-Zimmer.
Wir begrüßen das Bund-Länder-Programm ‚Junges Wohnen‘ ausdrücklich, um mehr bezahlbaren Wohnraum für die junge Generation zu schaffen. Wenn die Länder ihrerseits kräftig fördern, kann dieses Programm mittelfristig den Wohnungsmarkt für Studierende etwas entspannen.
Wir benötigen aber dringend eine Verstetigung des Programms. Sonst drohen wir potenzielle Fachkräfte zu verlieren, weil das Hochschulstudium wegen der horrenden Mietkosten an Attraktivität verliert.
Drittens: Mehr Studierende haben eine gesundheitliche Beeinträchtigung, und psychische Erkrankungen haben stark zugenommen. 16 % aller Studierenden haben eine oder mehrere gesundheitliche Beeinträchtigungen – das ist jede und jeder Sechste! Der Anteil lag 2016, bei der 21. Sozialerhebung, noch bei 11 %.
Studierende mit psychischen Erkrankungen bilden auch im Jahr 2021 bei weitem die größte Gruppe unter den studienrelevant Beeinträchtigten. Ihr Anteil ist nochmals deutlich – um 10 Prozentpunkte – gegenüber 2016 gestiegen, von 55% auf 65%. Gleichzeitig wirken sich psychische Erkrankungen im Vergleich zu anderen Beeinträchtigungen überdurchschnittlich häufig besonders stark im Studium aus. Wir haben im deutschen Hochschulsystem, nunmehr belegt durch die 22. Sozialerhebung, eine Mental-Health-Krise der Studierenden.
Wir wünschen uns von der Bundesregierung, dass sie im Verbund mit den Ländern die psychosoziale Beratung der Studierendenwerke ausbaut, mit zehn Millionen Euro über die kommenden vier Jahre.“